Sind Beziehungspausen sinnvoll?

Beziehungspause – Chance oder Risiko?

Manchmal braucht es Abstand um anzukommen. Manchmal wird aus Nähe Enge, man spürt sich selbst nicht mehr richtig, weil der Andere stets präsent oder z. B. sehr dominant ist. Oder weil wir uns in nahen Beziehungen selbst so schwer abgrenzen können. Manchmal denken wir an Trennung, obwohl wir einfach nur mehr Raum für uns alleine bräuchten. – Zeit für eine Beziehungspause?

Wann sind Beziehungspausen sinnvoll?

Eine Auszeit kann helfen, einander wieder aus einem anderen, ganz eigenen Blickwinkel zu sehen und erstmal wieder richtig mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Egal ob Dauerstreit, höfliche Vermeidung oder kaltes Schweigen: Ist Ihnen ihre/seine Nähe nur noch unangenehm, oder fürchten Sie, in der Beziehung unterzugehen? Kommen Sie auch mit einer Paartherapie partout nicht weiter, kann eine Beziehungspause jetzt sinnvoll sein.

Antworten auf die Frage 'Wie wäre mein Leben ohne dich?' gibt eine Beziehungspause jedoch nur teilweise. Vielleicht ist die Erleichterung in der Pause besonders groß, vielleicht werden Ängste vorm Alleinsein jetzt besonders spürbar. Vielleicht fühlen Sie sich endlich wieder frei oder einfach nur noch einsam: Auf Dauer würde sich all dies vermutlich wandeln. Auch ein Urlaub auf der Alm fühlt sich bekanntlich anders an, als dauerhaft dort zu leben.

Was bedeutet die Beziehungspause?

Beziehungspausen erfordern Mut. Gerade in Krisen kann es schwer sein, eine Weile auf Abstand zu gehen. Dadurch wirkt die Beziehung vielleicht noch gefährdeter. Ohne Kontakt verzichten wir auch auf jede Kontrolle: Wir bekommen nicht mehr direkt mit, was der/die Anderen gerade macht. Vielleicht sind wir erst einmal ganz auf uns zurück geworfen. Wir müssen uns innerlich und äußerlich neu organisieren. Wie geht es mir, wenn der/die Andere plötzlich räumlich weg ist? Es gibt so viel Zeit zum Denken, Grübeln, ... aber auch um endlich wieder alte und neue Aktivitäten zu entdecken und am besten gleich sich selbst auf neue Weise. In der Auszeit geht es nicht nur um die Frage '(Wie) Will ich mit dir zusammen leben?', sondern: 'Wie will ich die nächsten Jahre und vielleicht den Rest Lebens verbringen?'.

Wie funktionieren Beziehungspausen?

Eine Beziehungspause funktioniert meines Erachtens umso besser, je klarer sie organisiert und strukturiert ist. Also:

  • ohne chaotisches Abhauen und ohne zerrissenes Hin und Her. Letzteres wird auch als neudeutsche 'On-Off-Beziehung' nicht bekömmlicher. 
  • ohne einseitige Machtbeweise und Zwangsmaßnahmen, aber
  • mit gemeinsam ausgehandelten Vereinbarungen darüber, wie die Beziehungspause für Sie beide am besten gelingen kann (siehe unten 'Regeln für die Beziehungspause'). 

Sind solche Aushandlungen zu zweit zzt. nicht möglich, können Sie dafür professionelle Hilfe nutzen, z. B. in einer Paartherapie-online.

Paare, die auch zusammenleben und sich für eine Beziehungspause entscheiden, mieten oft kurzfristig eine kleine (Ferien-)Wohnung an, die ausschließlich eine:r oder beide abwechselnd bewohnen. Oder es ergibt sich eine gute Gelegenheit bei Familie oder Freund:innen.

Zieht eine Seite jedoch zu dem oder der Geliebten, ist der Begriff 'Beziehungspause' wohl fehl am Platz. Wollen Sie ausprobieren, wie es wäre mit dem/der bisherigen Geliebten zusammen zu leben, wäre eine Trennung wahrscheinlich die fairere Lösung.

Was wollen Sie von der Beziehungspause?

Wenn Sie vorab reflektieren, was genau Sie sich von der Auszeit erhoffen, können Sie sie dementsprechend nutzen. Ist Ihr Ziel zum Beispiel, einfach innerlich zur Ruhe und bei sich selbst anzukommen, so wäre es vermutlich kontraproduktiv, ständig auf Achse zu sein und sich abzulenken. Sind Ihnen gerade neue Impulse und Erfahrungen wichtig, werden diese eher selten auf der heimischen Couch auf Sie warten. Möchten Sie in dieser Zeit 'an sich selbst arbeiten', so fragt sich, woran genau und wie oder mit wem? Ändern sich Ihre persönlichen Ziele und Wünsche im Verlauf der Beziehungspause? Wahrscheinlich ist dies ein gutes Zeichen dafür, dass Sie innerlich in Bewegung sind.

Wollen Sie sich wirklich eine Pause gönnen?

Oft ist es sehr hilfreich, wenn Sie das Damoklesschwert 'Trennung: Ja oder nein?' während der Auszeit komplett im Keller verstauen. Denn schwebt ein solches Schwert über uns, können wir uns nur schwer auf anderes einlassen. Erlauben Sie sich, in der vereinbarten Zeit keine Entscheidung zu treffen. Versuchen Sie zu genießen, dass Sie nun x Wochen lang keinen Gedanken darauf verwenden müssen, was aus Ihrer Beziehung wird. Wollen Sie innerlich Urlaub von der großen Beziehungsfrage nehmen? Dann können Sie, wann immer Sie anfangen zu grübeln, stattdessen sofort an etwas Anderes denken, um ihr Gehirn gut zu beschäftigen. Wenn das verständlicherweise nicht so einfach geht, können Sie Techniken zur emotionalen Selbstregulation und zum Gedankenstopp probieren. Wie wäre es, wenn Sie sich – soweit wie eben möglich – auch mental wirklich eine Pause nehmen?

Beziehungspause trotz Kindern?

Haben Sie Kinder, so kann es hilfreich sein, diese z. B. an Umzug und Einrichtung der Pausen-Wohnung zu beteiligen. Natürlich sollten sie ihr gewohntes Zuhause während der Beziehungspause behalten (Nestmodell). Wichtig ist die Stimmung, die Sie dabei vermitteln. Je offener und besser gelaunt Sie die Kinder einbeziehen können, desto leichter ist das Ganze für sie. 'Beziehungspausen' kommen ja auch in kindlichen Freundeskreisen vor. Mal x Wochen auszuprobieren, wie es wäre, noch ein zweites Zuhause zu haben, kann aus der Kinderperspektive das Zentrale sein, nicht die Details Ihres Beziehungsstatus.

Was bringen Beziehungspausen?

Je länger wir als Paar zusammen leben, desto mehr empfinden und denken wir uns meist als 'Wir', und weniger als 'Ich'. Manchmal scheinen Grenzen innerhalb des Paar-Systems zu verschwimmen. Paare (und Familien) können einen eigenen kleinen Kosmos bilden. Die gemeinsame Welt geteilter Regeln, Normen, Werte, Rollen und Kompromisse entsteht im täglichen (Aus-)Handeln, auch wenn wir sie nicht bewusst anstreben. Dabei kann es passieren, dass Individuelles darin verloren. Dies gilt natürlich besonders, wenn eine Seite sehr dominant, die andere sehr anpassungsbereit ist.

Eine Beziehungspause kann hier Raum für Veränderungen schaffen, die sonst nicht möglich wären – ohne sich gleich trennen zu müssen. Indem die alten Muster eine Zeit lang radikal unterbrochen werden, wird Neues leichter möglich, zum Beispiel:

  1. neue Rollen, neue Positionen im Paargefüge, neue Verbindungen mit der 'Außenwelt' des Paares, neue oder auch weniger Grenzen innerhalb des Paarsystems, etc. Was will ich eigentlich selbst, wenn ich ganz allein entscheiden kann, ohne Kopromisse, Erwartungen oder Vermutungen, was du erwartest, was du willst, was du durchsetzt oder wünschst, ...
  2. eine neue oder wiederentdeckte Beziehung zu sich selbst, eine veränderte Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit, Gefühle können neu sortiert werden (was gehört zu mir, was zu dir?), eigene Bedürfnisse, Stärken und Schwächen werden deutlicher spürbar – mit allen schönen oder unangenehmen Wirkungen und Nebenwirkungen.

Während der Beziehungspause haben Sie gute Chancen, die Karten neu zu mischen. Aber das geschieht nicht von alleine. Und es setzt voraus, dass Sie anschließend nicht einfach zum alten Spiel zurückkehren.

Mehr Raum für Veränderungen

Indem wir sehr viel Zeit ohne den Anderen bzw. die Andere verbringen, spüren wir wieder stärker, wie es sein kann, auf eigenen Füßen zu stehen, uns auszubalancieren, ohne uns am anderen festzuhalten. Vielleicht merken wir erst jetzt wieder, wer wir eigentlich alleine sind, ohne dieses nicht immer offensichtliche, aber unser Leben durchdringende 'Wir'. Oft wird wieder deutlicher, was wir am anderen mal zu schätzen wussten, oder wofür wir ihn (bislang) 'brauchen': Vielleicht um nicht einsam oder nicht allein verantwortlich für unser Leben zu sein. Vielleicht gibt es uns Sicherheit, wenn der Andere sagt, wo es lang geht – oder wenn unser Lieblingsmensch uns immer wieder fraglos folgt ...

Aus dem Abstand heraus wird es oft leichter, unsere Positionen und Haltungen neu zu bestimmen; fast: ein neues Paar zu werden. Der Faktor 'Besitzstandswahrung' entfällt. Aus 'Das haben wir doch schon immer so gemacht', wird 'Früher haben wir es so gemacht, und wie machen wir es jetzt?'. Mehr Freiheit kann entstehen. Die Beziehung ist wie ein Garten, in dem Sie mit der Beziehungspause erst einmal Raum schaffen für neue Strukturen und Stauden, die sich nur noch wenig ins etablierte Alte einfügen müssen.

Eine Beziehungspause kann sehr anstrengend sein – aber auch sehr erleichternd. Und: Eine Beziehungspause ist kein Selbstläufer. Ob sie zum folgenreichen Einschnitt wird, hängt nur von Ihnen beiden ab. Die Auszeit kann Druck aus dem Paarkontakt herausnehmen; und sie kann (!) inneren Druck verstärken, z. B. wenn Sie früher, vielleicht ganz früh im Leben traumatisierende Erfahrungen mit Trennungen gemacht haben. Oder auch, wenn Sie sich nicht auf Regeln für die Auszeit einigen konnten, die für Sie beide gut lebbar sind. 

Gibt es Regeln für Beziehungspausen?

Welche Regeln Sie für die Beziehungs-Auszeit vereinbaren hängt natürlich von Ihren Bedürfnissen ab. Fairness ist jetzt besonders wichtig, wenn die Beziehungspause nicht zum Beziehungsende werden soll. Suchen Sie nach den bestmöglichen Vereinbarungen zu den Fragen:

  • Was soll für beide in der Auszeit problemlos möglich sein: Dates, Außenbeziehungen, Küssen, Sex, ...?
  • Wie viel Freiraum braucht jede von uns, damit die Beziehungspause wirklich eine Auszeit ist?
  • Welche Regeln gelten im ursprünglichen Haus, welche in der zweiten Wohnung? (Wer darf dort z. B, übernachten, zu Besuch kommen? Wie hinterlassen wir uns die Wohnung beim Wechsel? ...)
  • Wie lange dauert die Pause? Soll es verschiedene Phasen geben (z.B. mit mehr oder weniger Kontakt)?
  • Treffen oder schreiben wir uns in dieser Zeit? Wenn ja: wie oft, wie lange und worüber? Was ist vorab oder während der Beziehungspause gemeinsam zu organisieren?
  • Gibt es Notfälle, für die andere Regeln gelten? Welche? Was wäre ein echter Notfall, was nicht?
  • Wie werden zusätzliche Kosten aufgeteilt?
  • Was, wenn ich dich fürchterlich vermisse?
  • Was passiert, wenn einer von uns schon nach kurzer Zeit sicher weiß: 'Ich will mich trennen.'?

Wie geht es nach der Beziehungspause weiter?

Im Idealfall werden Sie zum Ende der Beziehungspause ein ungestörtes Gespräch darüber führen, wie Sie beide die Zeit erlebt haben:

  • was gut war und was schwierig,
  • was sich für Sie bestätigt hat und was anders war, als erwartet,
  • was Sie Neues entdeckt, Altes verworfen oder wiederbelebt haben,
  • was Sie für Ihr individuelles Leben und für Ihre Beziehung zueinander herausgefunden haben,
  • wie und wo Sie zukünftig leben möchten: zusammen oder getrennt, als Single oder 'living apart together', ...?

Wenn die Pause zum Aus wird

Auch wenn Sie einen festen Zeitraum für die Beziehungspause vereinbaren: Ob die Auszeit wirklich (nur) eine Pause ist, werden Sie in der Regel erst danach wissen. In dieser Zeit können beide Partner:innen sich verändern und/oder merken, dass sie zukünftig anders leben wollen, vielleicht allein oder mit jemand anderem zusammen.

'Ich bin dann mal weg' ist keine Beziehungspause

Es gibt Menschen, die verschwinden über Wochen oder gar Monate (fast) gänzlich aus dem Leben ihres Partners bzw. ihrer Partnerin. Sie entscheiden einfach eines Tages allein und ohne jede Absprache, dass sie jetzt 'mal Abstand brauchen. Und dann sind sie sehr plötzlich weg, woanders, wer weiß, wo und bis wann. Vielleicht verweigern sie sogar jeden Kontakt und jede Auskunft darüber, wo sie sind, wann sie wieder da oder mal in der Gegend sein werden, was sie tun und warum.

Für die Menschen, die durch einen solchen Kontaktabbruch zu einer Beziehungspause gezwungen werden, kann dies einfach schrecklich sein. Worauf soll man sich verlassen, wenn man gestern noch zusammenlebte und heute scheinbar die 'Persona non grata' ist? Für Menschen, die auf ihre Partner:in wirklich bezogen sind, ist diese Form der 'Auszeit' eine Zumutung, die das Potential zum Trauma hat.

Selbst wenn der Partner oder die Partnerin irgendwann zurückkommt, hat sich doch gezeigt, was eine Beziehung mit ihm oder ihr bedeuten kann: Wie viel Sicherheit und Zuverlässigkeit bietet sie? Wie viel Vertrauen übersteht eine solche einseitige und unvermittelte Beziehungspause? Wann folgt die nächste 'Überraschung'? Bin ich für dich Subjekt oder Objekt? Was bedeutet unsere Bindung für dich?

Ob sich eine Beziehungspause lohnt, ...

... das können Sie nur selbst entscheiden. Der seelische und organisatorische Aufwand ist nicht gerade gering. Aber in Anbetracht dessen, dass es um Ihrer beider Lebensperspektiven geht, hält er sich doch in vertretbaren Grenzen. Zwei Ausnahme gibt es allerdings:

  1. Sie haben die viel einfachere und preiswertere Lösung 'Paartherapie' noch gar nicht ausprobiert oder nach einem ersten Fehlversuch gleich ad Acta gelegt
  2. Eine Beziehungspause lohnt sich nicht, wenn Sie ohnehin schon völlig sicher sind, sich trennen zu wollen. Dann machen Sie es Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin mit der Auszeit nur unnötig und unfair schwerer.

Ich habe einige Paare beraten, denen eine Auszeit gut getan hat: Weil sie weggehen mussten, um anzukommen. Weil sie den Partner/ die Partnerin erst aus der Distanz wieder zu lieben gelernt haben. Weil sie sich selbst besser kennen gelernt haben. Weil sie manchmal gemerkt haben, dass das, was das Leben zuvor erschwerte, mit dem Partner viel weniger zu tun hat als mit der eigenen Psyche. Vielleicht gab es andere Paare, für die es nicht so viel gebracht hat, wie sie erwartet hatten. Aber ich glaube, es war kein Paar dabei, das die Beziehungspause bereut hätte.

Wenn Sie über eine Beziehungspause nachdenken, berate ich Sie gerne mit Einzelberatung, in der Paartherapie in Münster oder mit einer Paarberatung online.

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